Regelung zur automatisierten Datenauswertung durch die Polizei Hamburg verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seiner heutigen Entscheidung den § 49 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) für nichtig erklärt. Die Vorschrift verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als informationelle Selbstbestimmung.
§ 49 PolDVG gestattete die automatisierte Auswertung von bei der Polizei Hamburg vorhandenen Daten zur vorbeugenden Bekämpfung bestimmter Straftaten. Es ließ die automatisierte Verarbeitung unbegrenzter Datenbestände mittels rechtlich unbegrenzter Methoden zu. Dabei wurde nicht zwischen Personen, die einen Anlass für eine Maßnahme gegeben haben, und den Daten anderer unterschieden. Dadurch bestand die Gefahr, dass auch zahlreiche rechtlich unbeteiligte Personen von weiteren polizeilichen Maßnahmen betroffen gewesen wären, die z.B. als Zeug:in oder Erstatter:in einer Anzeige in einem polizeilichen Datensystem gespeichert sind.
Perspektivisch geht es nicht um ein grundsätzliches Verbot der Nutzung von Auswertungssoftware durch die Polizei, sondern vielmehr um eine klare Definition der sog. Eingriffsschwelle und damit um eine Begrenzung des Einsatzes auf konkrete Gefahren für bedeutende Rechtsgüter oder bevorstehende schwere Straftaten. Aus geringerem Anlass werden solche Auswertungen in Zukunft nur dann möglich sein, wenn die Auswertungsmethoden durch den Gesetzgeber klarer begrenzt werden und dadurch auch das Eingriffsgewicht geringer ausfällt.
Unmittelbare praktische Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei Hamburg und des HmbBfDI hat die Entscheidung des BVerfG zunächst nicht, denn bisher wurden automatisierte Auswertungen von Daten auf der Grundlage von § 49 PolDVG in Hamburg noch nicht durchgeführt. Deswegen wurde durch das BVerfG für Hamburg auch – anders als für Hessen – keine übergangsweise Anwendung der Norm angeordnet, da dies für Hamburg praktisch nicht notwendig ist.
Allerdings hat die Entscheidung Auswirkungen auf den potentiellen Einsatz von Analysesoftware im Rahmen des Bund-Länder-Vorhabens „Polizei 2020“. In dessen Kontext wurde bereits federführend durch das Bayerische Landeskriminalamt der Zuschlag an das Unternehmen Palantir für ein neues verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem (VeRa) erteilt. Die Hamburger Polizei hat ihr Interesse an VeRA bekundet, aber noch keine Entscheidung getroffen. Für den Einsatz dieser Software ist die rechtliche Grundlage nun erstmal entfallen.
Thomas Fuchs, der als Sachkundiger bei der Verhandlung des BVerfG in Karlsruhe aufgetreten ist, begrüßt das Urteil: „Das Gericht ist im Wesentlichen unserer Argumentation gefolgt, dass die durch neue Datenauswertungstechnologien möglichen schweren Grundrechtseingriffe nur aufgrund eindeutiger rechtlicher Grundlagen erfolgen können. Dies war durch das sehr unbestimmte Hamburgische Gesetz nicht gegeben.
Darüber hinaus gibt das Urteil wichtige Hinweise für die Möglichkeiten und Grenzen beim Einsatz automatisierter Systeme. Die Hamburgische Bürgerschaft ist nun aufgefordert, dies neu und grundrechtskonform zu regeln. Bei der Gelegenheit sollten auch andere polizeiliche Eingriffsnormen nachgeschärft und mit der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG in Einklang gebracht werden.“