Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Einhaltung von Verkehrsbeschränkungen für Diesel-Fahrzeuge mit der automatisierten Erfassung aller Verkehrsteilnehmer durch den Einsatz von intelligenter Videoüberwachungstechnik durchzusetzen, begegnet erheblichen Bedenken aus verfassungsrechtlicher wie auch aus datenschutzrechtlicher Sicht. Die geplanten Regelungen sollen den Behörden erlauben, automatisiert zu überprüfen, ob gegen Durchfahrtsbeschränkungen für Diesel-Fahrzeuge verstoßen wird. Hierzu dürfen diese künftig durch intelligente Videoüberwachung die Fahrzeugmerkmale und -kennzeichen, ein Bild des Fahrzeugs und des Fahrers speichern und verwenden sowie auf die Daten des Zentralen Fahrzeugregisters zugreifen.
Eine Kontrolle der Fahrverbotszonen setzt den Aufbau einer umfassenden Überwachungsstruktur zum automatisierten Scannen von Kraftahrzeugen in den von Fahrverboten betroffenen Gebieten voraus. Dies wird mit massenhaften Eingriffen in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung bei einer Vielzahl von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern einhergehen. Denn nur bei einer unverzüglichen und rückstandslosen Löschung im Nichttrefferfall entfällt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum automatisierten Kfz-Scanning ein solcher grundrechtlicher Eingriff. Das mag bei dem automatischen Abgleich mit dem Zentralen Fahrzeugregister für entsprechend zugelassene Kfz umzusetzen sein. Für die Personengruppe, die aus anderen Gründen von der Durchfahrtsbeschränkung ausgenommen werden, gilt dies hingegen nicht. Ausdrücklich erlaubt der Gesetzentwurf eine Speicherung der Daten bis zu sechs Monaten, soweit sich nicht klären lässt, ob die Befahrung im konkreten Fall rechtmäßig erfolgte. Eine massenhafte Speicherung von Ausnahmen ist zu befürchten. Die hier vorgesehene Speicherfrist überschreitet im Übrigen die dreimonatige Verjährungsfrist für OWi-Verfahren im Straßenverkehr.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinen beiden Diesel-Urteilen Anfang des Jahres darauf hingewiesen, dass Fahrverbote für Autobesitzer nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Danach muss es Ausnahmen für davon betroffene Personengruppen geben. Genannt hat das Gericht bestimmte Anwohnergruppen und Handwerker. In Hamburg etwa werden alle Anlieger von den Regelungen zur Durchfahrtsbeschränkung ausgenommen. Der hier geltende Luftreinhalteplan beziffert diese Ausnahmen mit einem Umfang von immerhin 20% des betroffenen Verkehrsaufkommens. Darunter fallen etwa Anwohner sowie deren Besucher, Kunden und Beschäftigte von ansässigen Geschäften, Büros, Praxen oder Kanzleien, Krankenwagen, Müllautos, Handwerker sowie der gesamte Lieferverkehr innerhalb des betroffenen Straßenabschnitts. Die Befreiung für Anlieger gilt unmittelbar durch ein zusätzliches Verkehrszeichen und muss nicht gesondert beantragt werden.
All diese Personen würden bei jeder einzelnen Durchfahrt vom Kamerasystem erfasst und - ergibt die Abfrage im Fahrzeugregister, dass sie kein Fahrzeug fahren, dessen Typenzulassung die Befahrung erlaubt - erst einmal gespeichert. Im weiteren Verlauf könnten dann OWi-Verfahren eingeleitet werden, in deren Verlauf sich die Betroffenen auf eine Anliegerregelung berufen müssten.
Die geplante Regelung für erlaubte Durchfahrten bezieht sich nur auf Kfz-Typen, nicht aber auf das persönliche Anliegen der Fahrer. Dass die automatisierte Videoüberwachung massenhaft Verdachtsfälle gegenüber Personen, für die ein Durchfahrtsrecht besteht, produziert, ließe sich nur verhindern, wenn zusätzlich durch die Bundesländer zum direkten Abgleich Datenbanken geschaffen würden, die entsprechende Kfz-Kennzeichen mit den jeweiligen Befreiungstatbeständen enthalten. Spontane Besucher von Anwohnern oder kurzfristig bestellte Handwerker könnte diese Regelung aber kaum erreichen. Der bürokratische Aufwand einer zum Abgleich erforderlichen Anliegerkontrolldatei ist zudem immens und würde aus Datenschutzsicht noch weit über die bisher diskutierten Pläne hinausgehen. Ein staatliches Anmeldeverfahren für alle in Betracht kommenden Ausnahmen vom Patienten über den Handwerker bis hin zum Besucher ist mangels Erforderlichkeit und Angemessenheit abzulehnen und mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit unvereinbar.
Hierzu Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Das System des automatischen Diesel-Scannings zur Durchfahrtkontrolle führt erkennbar in eine unverhältnismäßige staatliche Überwachungs- und Kontrollspirale hinein und steuert damit verfassungsrechtlich direkt in eine Sackgasse. Eine Plakettenlösung ist eindeutig die erheblich weniger belastende Kontrollmaßnahme, da sie eine massenhafte und anlasslose Erfassung und Speicherung von rechtstreuen Bürgerinnen und Bürgern für einen Zeitraum über sechs Monate vermeidet und auch keine uferlose weitere Datenhaltung erfordert.“
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