Straßenfotografie oder Rechtsverstoß?
Fast jedes Smartphone hat heute eine leistungsstarke Kamera. Alltägliche Situationen, Architektur oder spontane Begegnungen festzuhalten, ist dadurch jederzeit möglich. Diese Entwicklung bringt jedoch erhebliche rechtliche Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften.
Straßenfotografie – rechtliche Rahmenbedingungen und Problemstellungen
Das Grundrecht auf Datenschutz aus der Grundrechtecharta beinhaltet, dass personenbezogene Daten nur mit einer Rechtsgrundlage verarbeitet werden dürfen. Soweit die abgebildeten Personen identifizierbar sind, handelt es sich bei digitalen Fotografien um personenbezogene Daten. Deswegen können das Anfertigen und Speichern derartiger Aufnahmen den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterliegen. Während private Fotos im familiären Umfeld unter die sogenannte Haushaltsausnahme fallen, gilt dies nicht für Aufnahmen fremder Personen im öffentlichen Raum. Für jede gezielte und identifizierbare Aufnahme von Personen innerhalb des Anwendungsbereichs der DSGVO ist eine rechtliche Grundlage erforderlich. Eine solche Rechtsgrundlage kann in der Einwilligung der betroffenen Personen liegen; aber auch ohne Einwilligung kann eine Aufnahme gerechtfertigt sein.
Ein besonderes Problemfeld stellen heimliche Bildaufnahmen dar, die die Privatsphäre und den Schutz insbesondere von Minderjährigen und Frauen verletzen. Dabei handelt es sich um voyeuristische Schnappschüsse ohne künstlerischen oder journalistischen Anspruch. Bei dieser Art von Aufnahmen werden beispielsweise junge Frauen in sommerlicher Kleidung oder minderjährige Personen fotografiert, wobei ein deutlicher sexueller Fokus erkennbar ist. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) hat in diesem Zusammenhang mehrfach Verfahren eingeleitet, da solche Aufnahmen eindeutig gegen die DSGVO verstoßen. Bestehende Regelungen aus dem Strafgesetzbuch (StGB) greifen in diesen Fällen nicht immer, weshalb dann nur das Datenschutzrecht als entscheidendes Instrument zum Schutz der Betroffenen bleibt.
Abgrenzung zwischen zulässiger Fotografie und rechtswidrigen Aufnahmen
Ein zentrales Spannungsfeld besteht zwischen dokumentarischer, künstlerischer oder journalistischer Fotografie auf der einen Seite und unzulässigen Aufnahmen auf der anderen Seite, die nur voyeuristischen oder übergriffigen Zwecken dienen. Während erstere durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen erleichtert werden, zielen letztere oft bewusst auf bestimmte Körperbereiche oder intime Situationen ab, wie etwa das Sonnenbaden im Park oder das Umziehen in einer Umkleide. Derartige Aufnahmen sind eindeutig unzulässig und verletzen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen. Die Abgrenzung zu dieser eindeutig rechtwidrigen Fallgruppe macht in der Praxis keinerlei Schwierigkeiten. In den bisher vom HmbBfDI verfolgten Fällen haben sich die Täter nie erfolgreich darauf berufen können, lediglich künstlerische Aufnahmen angefertigt zu haben. Dafür waren die Sachlagen stets zu eindeutig. Es ging immer um Übergriffe mittels einer Kamera.
Die Frage, ob eine Aufnahme außerhalb dieser Fallgruppe zulässig ist, hängt im Einzelfall von zahlreichen Faktoren ab, darunter die Intention der oder des Fotografierenden, der Kontext der Aufnahme und der Fokus des Bildes auf Einzelne oder wenige Personen. Während beispielsweise zufällige Abbildungen von Passant:innen bei der Tourismusfotografie oder Aufnahmen von Demonstrationszügen in vielen Fällen zulässig sind, gilt dies nicht für gezielte Aufnahmen einzelner Personen ohne deren Zustimmung. Stimmen, die Unsicherheiten propagieren und deswegen eine generelle Unanwendbarkeit der DSGVO für die digitale Fotografie fordern, überzeugen nicht. Dies hätte gravierende Rechtsschutz- und Rechtsdurchsetzungslücken zur Folge.
Da ein Großteil der Bevölkerung inzwischen Smartphones mit leistungsstarken Kameras besitzt, ist es wichtig, zwischen dem Recht, Begegnungen und Erlebnisse zu dokumentieren, und dem Schutz der Privatsphäre abzuwägen. Bei der digitalen Fotografie und der Speicherung von Bildaufnahmen müssen immer auch die Persönlichkeitsrechte berücksichtigt werden. Insbesondere heimliche oder gezielt auf intime Körperregionen ausgerichtete Aufnahmen sind nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch schlicht verboten. Dem HmbBfDI ist kein Fall bekannt, in dem jemand „aus Versehen“ einen solchen Übergriff beging. Vielmehr leugneten die Täter in der Vergangenheit der eintreffenden Polizei gegenüber, überhaupt Aufnahmen gemacht zu haben, während sie die Smartphones teilweise in ihrer Unterwäsche versteckten.
Im kommenden Tätigkeitsbericht Datenschutz 2024, der im April 2025 erscheint, wird der HmbBfDI einige Fälle aus der beschriebenen Fallgruppe skizzieren: „Der Spanner ist kein Künstler: sexualisierte Aufnahmen verletzen die Privatsphäre“